Varoufakis‘ Mittelfinger, Kontext und Kausalität (und Ai Weiwei)

Ob Griechenlands amtierender Finanzminister 2013 während eines Vortrags den Mittelfinger gehoben hat oder nicht soll hier jetzt mal nicht Thema sein. Ich gehe davon aus, dass es so ist  – denn selbst in dem von Varoufakis in einem Tweet verbreiteten ‚unbehandelten‘ Videomitschnitt ist sein Mittelfinger deutlich zu sehen. Mich interessieren eher die Gründe und der Zusammenhang – und was daraus gemacht wurde.

Wie einige Medienforensiker schon bemerkten wurde in der ARD-Talk-Sendung Günther Jauch der Wortlaut des damals gesagten nicht ganz korrekt – und vor allem nicht zu Varoufakis‘ Vorteils übersetzt. Da kann man schon Absicht unterstellen – denn wer sich den Mitschnitt des Vortrags ansieht muss feststellen, dass Varoufakis‘ lediglich darüber lamentiert, was ‚Griechenland in 2010 hätte machen können / machen sollen: so wie Argentinien den Staatsbankrott bekanntgeben – und so wie Argentinienen dem IWF den Mittelfinger gezeigt hatte, so hätte Griechenland Deutschland den Mittelfinger zeigen können („my proposal was…„).

Ein paar Minuten später erläuter Varoufakis dann aber, warum dieser Weg („der argentinische Weg“) unmöglich gewesen wäre: Argentinien hatte zum Zeitpunkt der Staatspleite eine eigene Währung – Griechenland hatte in 2012 keine eigene Währung. Alles (inklusive Mittelfinger) also nur Spekulation und von Varoufakis persönlich für unpraktikabel erachtet.

Nun kommen wir zur Kausalität: wer den Mitschnitt des Vortrags bis zur Stelle 44:30 vorspult wird an der hinteren Wand des Veranstaltungsraums ein Poster  mit einer weltberühmten Geste entdecken können: Ai Weiwei streckt den Mittelfinger in Richtung Chinesisches Machtzentrum. Vielleicht war dieses Poster, das Varoufakis während des gesamten Vortrags im Blickfeld gehabt haben muss, Inspiration zu der Begrifflichkeit „Showing the Finger“? Ich denke schon. Es sei ihm bitte nachgesehen.

Hier das Video: https://www.youtube.com/watch?v=MEUWxNifJJ8
Bei 40:30 sieht man Varoufakis‘ Mittelfinger – und bei ca. 44:30 sieht man das Ai  Weiwei Plakat.

siehe auch :

4 Gedanken zu „Varoufakis‘ Mittelfinger, Kontext und Kausalität (und Ai Weiwei)

  1. Ronald

    Nein, das ist nicht richtig. Tatsächlich hat Herr Varoufakis gesagt, damals habe er gefordert, Griechenland hätte im Januar 2010 Staatsbankrott erklären sollen UND GLEICHZEITIG IM EURO VERBLEIBEN.

    Unmittelbar anschließend sagt er „Why was I not supporting the idea that we should make an announcement that we are returning to the drachma?“ und erklärt dann, warum er DIESE ALTERNATIVE zum vorherigen Vorschlag nicht für praktikabel gehalten hätte.

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    1. wp_admin Beitragsautor

      Danke für die aufmerksame lektüre – ich habe mir die Stelle nun noch ein paar mal angesehen / angehört und den Eintrag entsprechend angepasst – also die Stelle „(inklusive Mittelfinger)“ durchgestrichen, da dies ja nicht der Teil des ‚argentinischen Wegs‘ ist, den er für Griechenland für unpraktikabel hielt – wenn ich das richtig verstanden habe.

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      1. Ronald

        Danke für die Freischaltung meines Kommentars und Ihre Antwort, aber ich glaube, Sie haben mich missverstanden. Mir ging es überhaupt nicht um Finger ja oder nein, das ist ohnehin total belanglos. Sondern Sie irren sich, wenn Sie meinen, Varoufakis hätte seinen Vorschlag (Staatsbankrott Januar 2010 bei Verbleib im Euro) anschließend als „nur Spekulation“ und für nicht praktikabel erklärt.

        Im Gegenteil, es war ihm todernst damit. Was er unmittelbar anschließend (nicht ein paar Minuten später) sagt, ist: Warum habe ich „Staatsbankrott und weiter Euro“ gefordert und nicht „Staatsbankrott und Rückkehr zur Drachme“? Und dann erklärt er, wie sich die Lage in Argentinien und in Griechenland jeweils unterschieden hätte. Diese Unterschiede hätten bedeutet, dass eine Rückkehr zur Drachme ein Desaster für Griechenland bedeutet hätte, wohingegen Argentinien in der Lage gewesen sei, mit dem Peso zu wirtschaften.

        Im übrigen ist unklar, wen er mit „stick the finger to Germany“ gemeint hatte. Anatol Stefanowitsch argumentiert auf seinem Blog, im Kontext seiner Ausführungen sei damit wohl die Europäische Zentralbank in Frankfurt und nicht Deutschland, die deutsche Regierung oder die deutschen Steuerzahler gemeint gewesen. Diese Argumentation ist zumindest plausibel.

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        1. wp_admin Beitragsautor

          Danke für Ihre Erläuterung! Aber ich glaube, wir sind eigentlich so gut wie derselben Meinung. Mit ging es ebenfalls nicht um die Frage ob Finger oder nicht – sondern darum, dass Varoufakis „den Argentinischen Weg“ zwar grundsätzlich für pratikabel, für Griechenland aber für unpraktikabel hielt. Der „Argentinische Weg“ war 2010 zwar im Gespräch, aber so (1:1) eben nicht umsetzbar – also Spekulation.

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